Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,
sehr geehrter Herr Bundesminister Heil,
sehr geehrte Frau Staatsministerin Roth,
sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestags,
 

gesellschaftlicher Zusammenhalt und demokratische Teilhabe sind nicht selbstverständlich gegeben, sondern müssen Tag für Tag aufs Neue ausgehandelt werden. Zudem verlangt eine Welt, in der sich Wandel immer schneller vollzieht, jedem Einzelnen eine hohe Bereitschaft zum lebenslangen Lernen ab. Wandel muss auf der persönlichen Ebene mitvollzogen und mitgestaltet werden können.

Bibliotheken sind Orte, die genau das ermöglichen. Sie sind öffentlich zugänglich für Menschen aller Altersgruppen und Milieus. Sie ermöglichen gesellschaftliche Begegnung und Dialog. Sie stellen Ressourcen für individuelle und gesellschaftliche Lernprozesse dar. Bibliotheken sind Infrastrukturen einer Kultur für alle und sie sind die publikumsstärksten Kultureinrichtungen Deutschlands.

Der wichtigen Funktion von Bibliotheken als Orte des Austauschs und der Begegnung ist allerdings ein Riegel vorgeschoben. Denn: Im Gegensatz zu anderen Kultureinrichtungen ist es ihnen verboten, an Sonntagen – an dem Tag also, an dem Familien, Alleinerziehende oder beruflich stark beanspruchte Menschen z.T. überhaupt erst die Möglichkeit hätten, von den Bibliotheksdienstleistungen Gebrauch zu machen – ihre Türen zu öffnen. Und obwohl die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag versprochen hat, die Sonntagsöffnung von Öffentlichen Bibliotheken zu ermöglichen, hat sie bislang keine Schritte unternommen, um das Vorhaben umzusetzen.

Wir fordern die Bundesregierung daher auf, das für den gesellschaftlichen Zusammenhalt vor Ort so wichtige Vorhaben jetzt umzusetzen. Die anstehende Novellierung des Bundesarbeitszeitgesetzes bietet dazu die beste Gelegenheit. Erforderlich ist dafür nur: In der Ausnahmeregelung des § 10 des Bundesarbeitszeitgesetztes müssten das Adjektiv „wissenschaftliche“ und der Zusatz „Präsenz“ entfallen. Die Öffnung von Bibliotheken an Sonn- und Feiertagen wird damit möglich. Gleichzeitig wird damit keine Pflicht für alle geschaffen.

Im Umgang mit der Sonntagsöffnung für Bibliotheken wird sich zeigen, wie ernst es die Bundesregierung mit der ebenfalls im Koalitionsvertrag postulierten ‚Kultur mit allen‘ meint und welchen Wert die kulturelle Teilhabe aller Menschen für sie hat. Pilotversuche in Groß- und Kleinstädten ebenso wie im ländlichen Raum zeigen: Vor allem Familien mit kleinen Kindern, Jugendliche mit Lernmotivation und menschliche Begegnung suchende Menschen besuchen sonntags ihre Bibliothek. Und: Auf die Anzahl der Öffnungsstunden heruntergebrochen, ist der Sonntag der bestbesuchte Tag!

Mit seinem bundesweiten Pauschalverbot der Sonntagsöffnung bildet Deutschland in Europa ein klares Schlusslicht. Gerade in Ländern mit einem modernen Bibliothekswesen, wie den Niederlanden, Dänemark, Finnland oder Norwegen, sind Sonntagsöffnungen selbstverständlich möglich.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz, sehr geehrter Herr Bundesminister Heil, sehr geehrte Frau Staatsministerin Roth, sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestags, eine gesetzliche Regelung zur Sonntagsöffnung in Öffentlichen Bibliotheken käme insbesondere den sogenannten „kleinen Leuten“ zugute – Menschen mit geringeren finanziellen und räumlichen Ressourcen, häufig auch mit Migrationshintergrund. Der Bedarf nach niedrigschwelligen öffentlichen Orten, die der Bevölkerung Zugang zu Bildung, Kultur und Begegnung auch und gerade an Sonntagen ermöglichen zeigt sich in Pilotprojekten in vielen Städten sehr deutlich.

Verwehren Sie den Bürger*innen diese Möglichkeit nicht weiter und erlauben Sie den Bibliotheken, durch eine Änderung des Bundesarbeitszeitgesetzes, ihre Türen – dort wo die Bibliotheken dies im Vernehmen mit ihrer Kommune und ihrem Personalrat möglich machen wollen und können – zu öffnen und so ihren vollwertigen Beitrag zu einer „Kultur mit allen“ zu leisten. Die Bibliotheksnutzer*innen aus Ihren Wahlkreisen werden es Ihnen danken.

Mit freundlichen Grüßen

Erstunterzeichner*innen

Volker Heller
Vorstand / Generaldirektor der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Dr. Arne Ackermann
Direktor der Münchner Stadtbibliothek

Reinhard Altenhöner
Ständiger Vertreter des Generaldirektors und Leiter der Zentralabteilung Staatsbibliothek zu Berlin

Prof. Dr. Tom Becker
Direktor der Stadtbibliothek Hannover

Prof. Dr. Achim Bonte
Generaldirektor der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

Petra Büning
Leiterin der Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken NRW

Dr. Ute Engelkenmeier
Vorsitzende des Berufsverbandes Information Bibliothek (BIB) e.V.

Dr. Sabine Homilius
Präsident von Bibliothek & Information Deutschland (BID) e.V.

Dr. Norbert Kamp
Direktor der Stadtbüchereien Düsseldorf

Barbara Lison
Leiterin der Stadtbibliothek Bremen

Susanne Metz
Direktorin der Leipziger Städtische Bibliotheken

Silke Niermann
Geschäftsführerin der Stadtbibliothek Gütersloh

Frank Scholze
Generaldirektor der Deutschen Nationalbibliothek

Antje Theise
Bibliotheksdirektorin der Universität Rostock – Universitätsbibliothek

Frauke Untiedt
Bibliotheksdirektorin der Stiftung Hamburger Öffentliche Bücherhallen

Dr. Hannelore Vogt
Direktorin der Stadtbibliothek Köln

Prof. Robert Zepf
Direktor der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg

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